Im Zuge der Berichterstattung über den bevorstehenden Umzug des vierjährigen Asiatischen Elefantenbullen „Ludwig“ vom Tierpark München-Hellabrunn in die Jungbullengruppe des Zoo Heidelberg hat der Bayrische Rundfunk folgende Fotos veröffentlicht.
Auf Bild 6 der Fotoserie mit dem verharmlosenden Kommentar: „Die tollsten Tricks hat er drauf“ ist „Ludwig“ im Zweibeinstand zu sehen. Wie ist das Antrainieren solcher Kunststücke im 21. Jahrhundert zu bewerten?
Das Einstudieren bestimmter Übungen erfüllt grundsätzlich drei Zwecke:
- Manche Übungen ermöglichen Pflege und Behandlung (z.B. sich in beliebigen Positionen ans Gitter stellen, Füße oder Ohren aus dem Gitter geben, Maul öffnen etc.)
- Das Lernverhalten wird gefördert, der Elefant ist beschäftigt.
- Im Direkten Kontakt dient das Abfordern von Übungen zusätzlich der Aufrechterhaltung der Vorrangstellung des Pflegers, was im Geschützten Kontakt völlig entfällt.
Bei allen Formen des Zweibeinstandes hingegen handelt es sich um Zirkustricks, die in einem wissenschaftlich geleiteten Zoo im 21. Jahrhundert keinerlei Daseinsberechtigung haben. Kunststücke sind zur Pflege und medizinischen Versorgung weder nötig noch geeignet. Tierbeschäftigung nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten fördert stattdessen natürliches Tierverhalten. Durch mannigfaltige Enrichmentangebote lassen sich Elefanten nahezu rund um die Uhr beschäftigen und vermitteln dem Beobachter einen Eindruck ihrer natürlichen Fähigkeiten. Kunststücke dagegen geben dem unwissenden Besucher den falschen Eindruck vom Elefanten als lustigen Clown, anstatt dessen Würde als Wildtier zu vermitteln.
Was der Elefant davon hält, interessiert in diesem Zusammenhang nicht. Auf Bild 5 wird deutlich, dass der Elefantenpfleger im Zoo München "Ludwig" beim Vorführen beim Vorführen seiner Übungen den Elefantenhaken präsentiert, obwohl er formal „geschützt“ auf der anderen Seite des Zauns steht. Dies ist nur dann erforderlich, wenn ein Elefant während des Trainings die Erfahrung machen musste, dass der Haken zum Durchsetzen der Forderungen des Pflegers (notfalls) auch angewendet wird. Pro forma wird durch den trennenden Zaun zwar Geschützter Kontakt mit dem Jungbullen praktiziert. Doch mit der Philosophie dieses Haltungssystems, das ausschließlich auf Freiwilligkeit und positiver Bestärkung beruht, hat das rein gar nichts zu tun. Zeitgemäßes Elefantentraining kommt ohne solche Dominanzbekundungen aus. Es ist schade, dass den Verantwortlichen im Münchner Tierpark offenbar die Ideen fehlen, ihre Elefanten statt durch überholte Kunststückchen mit modernen, längst erprobten Methoden verhaltensgerecht zu beschäftigen.
Für „Ludwig“ wird der „Zirkus“ mit seinem Umzug nach Heidelberg in wenigen Tagen glücklicherweise ein Ende haben, denn die Elefantenpfleger in Heidelberg verzichten auf Elefantenhaken, Dominanztraining und Zirkustricks. Die vier Elefantenkühe im Zoo München hingegen sind leider weiter den traditionellen Trainingsmethoden ausgesetzt.