Stellungnahme von Elefanten-Schutz Europa e.V.
Wer die Arbeit unseres Vereins in den letzten Jahren verfolgt hat, ist darüber informiert, wie problematisch sich die Kommunikation zwischen der EEG und dem Zoo Karlsruhe gestaltete. Ein Austausch mit der EEG über den aktuellen Stand und Entwicklungsmöglichkeiten der Karlsruher Elefantenhaltung wurde von den früheren Entscheidungsträgern lange Zeit nicht gewünscht bzw. konsequent abgeblockt.
Nach Übernahme des Direktorenpostens durch Dr. Matthias Reinschmidt zeigte sich der Zoo Karlsruhe bei einer erneuten Kontaktaufnahme unserem Verein gegenüber dialogbereit. Bei einem Lokaltermin am 26.02.2016 stellten Dir. Dr. Reinschmidt und Elefanten-Revierleiter Robert Scholz Vertretern unseres Vereins das Konzept einer zukünftigen "Altersresidenz" für ältere und speziell Zirkuselefantenkühe vor. Beschrieben wurden zudem die dafür erforderlichen Pläne zur Gehegeerweiterung von derzeit rd. 1.100 m² auf etwa 3.000 m², welche jedoch derzeit noch nicht vom Stadtrat endgültig bewilligt sind. Für Jürgen Schilfarth und Ingo Schmidinger vom Vorstand sowie die Karlsruher Mitglieder Frau Julia Arndt, M.Sc. Biol., und Frau Dr. Christiane Marsch bestand die Gelegenheit zum Gedankenaustausch mit den verantwortlichen Zoovertretern.
Elefanten-Schutz Europa verdeutlichte, dass die Idee grundsätzlich begrüßenswert sei, jedoch aus Sicht der EEG vor Umsetzung etliche Verbesserungen erforderlich sind. Hierzu zählt neben der dringend erforderlichen Erweiterung der Gehegeflächen vorrangig die Schaffung von außen bedienbarer Tore bei allen Gehege- bzw. Hausübergängen, um unabhängig vom praktizierten Haltungssystem auf Geschützten Kontakt vorbereitet zu sein, bevor neue Elefanten aufgenommen werden. Gerade im Hinblick auf das Wohl der ältesten Bewohnerinnen "Rani" und "Shanti" in Kombination mit den derzeit bei weitem nicht erfüllten Vorgaben des Säugetiergutachtens ist aus Vereinssicht eine Übernahme weiterer Elefanten aktuell nicht vertretbar. Dies sollte aus Tierschutzgründen erst nach Ableben dieser betagten Seniorinnen angedacht werden. Derzeit besteht nur noch übergangsweise eine Ausnahmegenehmigung für die vorhandenen Tiere.
Mit dem Gefühl, eine konstruktive Gesprächsatmosphäre erzielt und zukünftigen regelmäßigen Informationsaustausch vereinbart zu haben, zogen die Gesprächsteilnehmer sowohl der EEG wie auch des Zoo Karlsruhe eine vorläufige positive Gesprächsbilanz.
Am 07.06.2016 erfuhr die EEG durch Beiträge in sozialen Netzwerken wie aus anderen Medien von der Übernahme der Zirkuselefantenkuh "Nanda" vom Zirkus Schollini/Hardy Scholl durch den Zoo Karlsruhe. Somit wurde deutlich, dass wir eines der Hauptziele unserer Bemühungen - eine Verschlechterung der Haltungsbedingungen für "Rani" und "Shanti" durch vorzeitige Aufnahme zusätzlicher Elefanten zu vermeiden - nicht erreichen konnten.
Wenn sich unser Verein bei Projekten engagiert, versuchen wir Pro und Contra immer vor der Fragestellung "Was bringt es dem Elefanten?" abzuwägen. Dementsprechend müssen die Vorteile der Abgabe von "Nanda" aus dem Zirkus klar benannt werden:
- Fraglos positiv zu bewerten ist, dass die 49-jährige, gesundheitlich angeschlagene Kuh nun nicht mehr dem Reisestress ausgesetzt ist.
- Zudem bestehen in stationärer Zoo-Obhut grundsätzlich komfortablere Haltungsbedingungen als ein ReiseZirkus je bieten kann.
- Auch die tierärztliche Versorgung der stark sehbehinderten "Nanda" wird sich zukünftig verbessern.
Die Nachteile sind demgegenüber allerdings ebenfalls zu benennen, denn durch den Transfer verschlechtern sich die Haltungsbedingungen für mindestens vier, ggf. sogar fünf Elefanten, während sich die Haltungsumstände für "Nanda" auch nur in Teilen verbessern:
1. Der Zoo Karlsruhe hatte schon für 3 Elefanten nur die Hälfte der Fläche, welche das Säugetiergutachten fordert. Für seinen Anspruch auf ein "Altersheim für Elefanten" ist zudem bisher nicht annähernd die passende Ausstattung vorhanden (Sandboxen für alle Bewohner gleichzeitig, PC-Voraussetzungen). Nun müssen unter diesen Bedingungen 4 Elefanten gehalten werden, doch es ist im Zoo Karlsruhe nicht möglich, allen 4 Tieren gleichzeitig adäquate Haltungsbedingungen Tag und Nacht zu bieten:
- Statt rechnerisch ein Drittel an Fläche von Anlage und Haus steht jedem Elefanten jetzt nur ein Viertel der Fläche zur Verfügung - außen ca. 275 m² je Weibchen. Das Säugetiergutachten fordert mindestes 500 m² je älterer Kuh bei mindestens 2.000 m² Gehegefläche.
- Es ist nicht mehr möglich, alle Tiere gleichzeitig draußen auf Naturboden oder drinnen auf Sandboden unterzubringen und Komfortverhalten zu ermöglichen, denn die 4 Elefanten werden in 3 Gruppen gehalten. Bei 2 Außen-Teilanlagen muss entweder eine davon im Haus oder im 100 m² kleinen betonierten Vorgehege bleiben. Da die Elefanten auch im Sommer erst zwischen 9 und 10 Uhr früh ins Außengehege, aber bereits gegen ca. 16 Uhr wieder ins Haus kommen, stehen alle 4 Tiere rund 17 Stunden jeden Tag im Innenbereich. Dort muss aber zumindest eine der Gruppen durchgehend in einer der Betonboxen stehen.
2. Der soziale Druck für die beiden 60-jährigen Karlsruher Altkühe steigt mit der neuen Mitbewohnerin.
3. Die geplanten Flächenerweiterungen des Außengeheges sind bisher noch nicht endgültig genehmigt worden. Mit der Fertigstellung ist nicht vor 2018 zu rechnen und das Projekt ist noch nicht sichergestellt.
4. Bisher erfolgten Versuche, "Nanda" wahlweise mit den beiden alten Kühen oder mit "Jenny" zu vergesellschaften, überwiegend unter Aufsicht bzw. mit verstärkter Reglementierung durch die Pfleger. Ob dies erfolgreich sein kann - was bedeutet, die Weibchen auch ohne Aufsicht gemeinsam in einer Anlage zu halten - wird sich erst im Laufe der Monate zeigen.
5. "Nanda" hat durch die Einzelabgabe ihre Partnerin "Maya" verloren, welche im Zirkus verbleibt. Mit ganz viel Glück könnte sie eine neue Freundin in Karlsruhe finden, aber das ist nach den Erfahrungswerten a) nicht sehr wahrscheinlich, bleibt b) somit abzuwarten und darf für wissenschaftlich geleitete Zoos c) keine Rechfertigung sein, eine der so seltenen Bindungen zwischen unverwandten Kühen aufzubrechen.
- Die Angabe des früheren Halters, der älteren "Nanda" einen angenehmen Lebensabend zu ermöglichen, kann hierfür nicht als ausreichender Grund gelten. Wenn ihm das Wohl seiner Elefanten wirklich am Herzen liegen würde, wäre die gemeinsame Abgabe der freundschaftlich verbundenen Kühe zwingend gewesen.
- Dies wäre auch vom aufnehmenden Zoo zu beachten gewesen, welcher folgerichtig entweder nur beide gemeinsam oder gar keine der Scholl-Elefantenkühe hätte übernehmen dürfen. Abgabeplätze für 2 Asiatenkühe hätten sich in Europa finden lassen.
6. "Maya" bleibt im Zirkus und ist derzeit allein. Dies ist nach gültigen Leitlinien nicht gestattet, doch aufgrund der bloßen Ankündigung des Halters, in Kürze eine weitere Elefantin übernehmen zu wollen, scheint dies für die Erlaubnis erteilende Behörde im Salzlandkreis ausreichend gewesen zu sein, um die Einzelhaltung von "Maya" vorübergehend zu genehmigen. Wie lange der Begriff "vorübergehend" ausgedehnt werden kann, konnte oder wollte Amtstierarzt Dr. Kienitz unserem Verein auf Nachfrage nicht mitteilen.
7. Selbst wenn "Maya" eine neue Mit-Elefantin erhält, ist es analog zu "Nandas" Sozialprognose in Karlsruhe wenig wahrscheinlich, dass "Maya" in einer neuen Artgenossin eine neue Freundin finden wird.
Bereits längere Zeit vor und auch nach der Unterbringung von "Nanda" in Karlsruhe standen Vorstandsmitglieder in Kontakt mit der für Karlsruhe zuständigen Tierschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg, Frau Dr. Cornelie Jäger. Auch Frau Dr. Jäger sieht den Bedarf nach Schaffung von Voraussetzungen für Geschützten Kontakt sowie die geplanten Erweiterungen als dringlich an. Doch die Beendigung des Mitführens einer Elefantenkuh im Zirkus ist ihr ein besonders wichtiges politisches Anliegen. Im Gespräch mit unseren Vorstandsmitgliedern Jürgen Schilfarth und Ingo Schmidinger betonte die Landestierschutzbeauftragte deshalb, dass die freiwillige Abgabe von "Nanda" in den Karlsruher Zoo aus ihrer Sicht als Erfolg bewertet wird, von dem sie sich eine positive Signalwirkung gegenüber anderen Elefantenhaltern im Zirkus verspricht.
Obwohl dieses Argument nicht von der Hand zu weisen ist, sieht die EEG zusätzlich drei weitere, wenig positive Signale von diesem Transfer ausgehen:
1. Zirkus-Elefantenhalter Scholl wird eine Verlängerung seiner Elefantenhaltung in Aussicht gestellt, da er ein kränkelndes altes Tier gegen eine ca. 10 Jahre jüngere Kuh ersetzen will. Statt die Elefantenhaltung im Zirkus Schollini durch Abgabe beider Elefanten zugleich kurzfristig zu beenden, könnte diese Haltung, welche ebenso unzureichend ist wie jede andere Haltung der Tierriesen im Reisebetrieb, um Jahre verlängert werden. Neben der freiwilligen Abgabe ist auch dies ein Signal, dass die Zirkuswelt sicherlich verstehen wird.
2. Das Signal an die Zoowelt, trotz Haltungseinrichtungen, die dem gültigen Säugetiergutachten nicht ansatzweise genügen, weiterhin einfach durch das Signalisieren von Ausbauwillen Genehmigungen zur Aufnahme neuer Elefanten zu erhalten, ist kein gutes im Sinne des Tierschutzes.
3. Zur Genehmigung des Transfers wird der Schwerpunkt ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensumstände eines Elefanten gelegt, die evtl. Verschlechterung für 3 Zoo- bzw. ausbleibende körperliche und psychische Verbesserungen für den 2. Zirkuselefanten werden vernachlässigt. Die durch Trennung von "Nanda" und "Maya" verursachte massive soziale Verarmung beider Individuen wird komplett ausgeblendet. Auch dies ist ein negatives Signal, denn es manifestiert, dass die physischen Haltungsbedingungen offenbar die einzig zählenden sind, während die sozialen Bedürfnisse eher unwichtig und im Bedarfsfall vernachlässigbar erscheinen - zumindest werden sie bei verschiedenen Tierindividuen hier unterschiedlich gewichtet.