Die Thüringer Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Online-Ausgabe vom 07.01.2015 über die geplanten Entwicklungen der Zuchtbemühungen bei den Afrikanischen Elefanten des Thüringer Zooparks Erfurt. In Erfurt wird neben der 43-jährigen "Safari" mit der 11-jähigen zoogeborenen "Chupa" ein junges Weibchen mit Fortpflanzungspotenzial gehalten. Der Koordinator des Afrikaner-EEP hat für die junge Kuh, die bereits Geschlechtszyklen aufweist, als männlichen Zuchtpartner den 9-jährigen, noch nicht zeugungsfähigen Nachzuchtbullen "Kibo" aus Wien-Schönbrunn vorgesehen.
Weiter heißt es in dem Bericht: "Um die Zuchtchancen zu vergrößern, hatte sich Merz [gemeint ist die Erfurter Zoopark-Direktorin Frau Dr. Dr. Sabine Merz - Anm. der Red.] noch für einen zweiten, älteren Bullen eingesetzt. Der Europäische Zuchtkoordinator, Harald Schwammer aus Wien, hatte diese Idee jedoch abgelehnt. Ein älterer Bulle würde Kibo nur unterdrücken, sagte er unserer Zeitung. Zudem gebe es nicht genügend Zuchtbullen." http://erfurt.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Elefant-Kibo-wird-spaetestens-Anfang-April-in-Erfurt-erwartet-395024182
De facto hat der Koordinator dem Zoopark damit untersagt, einen zuchtfähigen Bullen für die bereits geschlechtsreife "Chupa" anzuschaffen. Dass Afrikanische Elefantenbullen nicht selten später zeugungsfähig werden als Asiatenbullen ist belegt, dass die Zuchtaussichten junger Weibchen mit jedem Jahr ohne Trächtigkeit sinken, ebenfalls.
Inhaltlich sind die Vorwände des Koordinators nach allem, was bekannt ist, nicht haltbar. Gegen die These, dass mehrere Bullen einander unterdrücken gibt es inzwischen diverse Beispiele bei Afrikanern. In den Zoos von Basel und Kronberg gab es in den 1960er Jahren Zuchterfolge bei gleichzeitiger Haltung von zwei Bullen, ebenso im britischen Howletts in den 1980ern. "Krueger" hat in Knowsley in den 2000ern in Anwesenheit des Jungbullen "Nissim" gezeugt. Im spanischen Cabarceno züchteten die Bullen "Chisco" und "Cita" während der 1990er und 2000er Jahre bei gleichzeitiger Haltung von bis zu drei adulten Bullen, ebenso wie "Pambo" ca. 10 Jahre später bei Anwesenheit des über 10-jährigen "Coco". Im Gegenteil - einen erwachsenen Bullen bei Werbung und Paarung zu beobachten trägt wesentlich zum späteren Zuchterfolg heranwachsender Männchen bei. Da Wien seit Jahren keinen erwachsenen Bullen hält, fehlen "Kibo" diese wichtigen Erfahrungen, welche zum Komplex des Sozialen Lernens dazugehören. Davon abgesehen kann es zunächst auch egal sein, ob der jüngere Bulle zeugt - solange es der ältere tut. Entscheidend wäre, das Zeitfenster der jungen Kuh zur Erstzucht zu nutzen, bevor es sich schließt.
Richtig ist, dass die Zahl erwachsener, fortpflanzungsfähiger Afrikanerbullen im gesamteuropäischen Raum gering ist. Zum Problem wird aber nicht deren Anzahl, sondern eine seit Jahren äußerst ungünstige Aufteilung dieser Tiere auf Zoos, in denen sie ihr Zuchtpotenzial nicht bzw. nicht ausreichend nutzen können:
Im EEP-Raum werden z.Z. 49 männliche Afrikanische Elefanten gehalten. Davon sind 13 Tiere Zuchtbullen. Von diesen haben 6 Bullen mindestens eine fruchtbare Partnerin zur Verfügung und müssen nicht aufgrund vorhandener Töchter getauscht werden, weniger als die Hälfte.
Bei 4 Zuchtbullen ist ein Tausch erforderlich aufgrund Inzuchtgefahr mit eigenen Töchtern: "Tembo"/Berlin, "Tonga"/Hodenhagen, "Tusker"/Wuppertal, "Jums"/Howletts
Weitere 3 Zuchtbullen haben gar kein Weibchen im Bestand, mit welchem (natürliche) Fortpflanzung möglich ist: "Yossi"/Ramat Gan, "Tembo"/Colchester, "Krueger"/Port Lympne bzw. Wraxall
Von 6 weiteren Männchen über 20 Jahre hat nur einer gewisse Chancen zur Fortpflanzung. Fünf dieser Bullen haben keine Zuchtpartnerin: "Shaka"/Duisburg, "Afrique"/Monde Sauvage, "Carl"/Tallinn, "Ben"/Thoiry, "Java"/Fasano
Weitere 13 Bullen sind zwischen 10 und 20 Jahre alt. davon haben nur drei in den Zoos von Toulouse, Lissabon und Boras relativ gute Zuchtaussichten, während 5 Bullen eher schlechte Zuchtaussichten haben und getauscht werden sollten. Noch weitere 5 Bullen dieser Altersklasse haben gar keine zuchtgeeignete Partnerin zur Verfügung.
Somit gibt es in ganz Europa 22 Afrikanerbullen, die aktuell keine oder kaum Zuchtaussichten in ihren Zoos haben, aber als Zuchtpartner für die Erfurter Kuh "Chupa" besser geeignet wären als der Wiener "Kibo".
Neben "Chupa" warten im übrigen in weiteren 13 Zoos noch weitere 37 fruchtbare Weibchen auf einen geeigneten männlichen Zuchtpartner, hinzu kommen 6 sehr junge Nachzuchtkühe, die demnächst geschlechtsreif werden. Die meisten von ihnen warten seit Jahren.
Das europäische Zuchtprogramm für Afrikanische Elefanten steht kurz vor dem Zusammenbruch. Die Situation ist nicht neu, sondern seit langem bekannt. Ursächlich sind weder ein Mangel an fortpflanzungsfähigen Afrikanischen Elefanten noch eine "schwere Züchtbarkeit" verantwortlich. Sollte der Aufbau eines selbsterhaltenden Bestandes misslingen, liegt dies einzig daran, dass in den letzten Jahren zu wenig sinnvolle Entscheidungen getroffen wurden, um das Zuchtprogramm voranzubringen. In diesen Kontext reihen sich die aktuellen EEP-Pläne für Erfurt nahtlos ein.
Betroffen sind davon nicht nur Erfurt, sondern alle Halter, denen gegenüber die Sackgasse des Populationszusammenbruchs als Einbahnstrasse ausgewiesen wird, während der Abzweig zu koordiniertem Bestandsmanagement inzwischen fast schon passiert ist. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Zoogemeinschaft keine vereinten Anstrengungen unternimmt, dies zu ändern.